
Die Inzidenz einer intraoperativen Hypotension ist hoch. Es existiert jedoch bis heute keine allgemein anerkannte Definition einer intraoperativen Hypotension. Die wichtigsten Risikofaktoren umfassen das Patientenalter, eine ASA- Klasse ≥3, die Kombination von Allgemein- und Regionalanästhesie, die Dauer und eine Notfallindikation der Operation.
Die Bedeutung einer intraoperativen Hypotension ergibt sich aus der Tatsache, dass die zerebrale, renale und myokardiale Durchblutung sowie deren Autoregulation in besonderer Weise vom Perfusionsdruck abhängen. Unter pathophysiologischen Aspekten eignet sich der mittlere arterielle Druck (MAP) besser zur hämodynamischen Steuerung als der systolische arterielle Druck (SAP), da der Pulsdruck und der SAP stark vom Schlagvolumen und der arteriellen Elastance beeinflusst werden. Ein unterer MAP-Grenzwert von 60 mm Hg wird aufgrund physiologischer Erwägungen und auf Basis von Observationsstudien für Patienten ohne spezifische Risikofaktoren meist als ausreichend erachtet. Insbesondere bei erhöhten arteriellen Ausgangswerten im Rahmen einer vorbestehenden Hypertonie ist jedoch bereits eine relative Abnahme des MAP >30% als Grenzwert anzunehmen. Auch Störungen der Autoregulation, relevante Gefäßstenosen und die spezifischen Probleme einer halbsitzenden Lagerung unter Allgemeinanästhesie verschieben den unteren, für eine ausreichende Organdurchblutung erforderlichen MAP-Grenzwert nach oben. Verschiedene retrospektive Untersuchungen an sehr großen Patientenkollektiven legen einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer intraoperativen Hypotension und der postoperativen Ein-Jahres-Mortalität nahe. Eine direkte Kausalität kann aufgrund der vorliegenden Daten jedoch bislang nicht als gesichert gelten. In‑ terventionen zur Therapie einer intraoperativen Hypotension dürfen nicht unkritisch mittels Vasokonstriktoren er‑ folgen, sondern sollen primär auf die zugrunde liegenden Ursachen abzielen, die neben einem verminderten peripheren Widerstand auch eine Hypovolämie und/oder eine Beeinträchtigung der kardialen Pumpfunktion umfassen können.