
Zusammenfassung: Inadäquat stimulierte neutrophile Granulozyten sind als wesentlicher pathogenetischer Faktor für die Entwicklung von septischen Gewebeschäden und dem Auftreten des akuten Lungenversagens identifiziert worden. Nachdem erfolgreiche anti-inflammatorische tierexperimentelle Untersuchungen zu klinischen Studien ermutigt hatten, enttäuschten deren Ergebnisse bezogen auf verbesserte Überlebensraten.
Die genauen Gründe für das Versagen verschiedener Interventionen sind jedoch unklar. In diesem Zusammenhang kann die therapeutische Blockade immunologischer Effektorsysteme wie die der granulozytären Sauerstoffradikalbildung zwar oxidativen Gewebeschaden reduzieren, andererseits jedoch auch mit einer Beeinträchtigung der Erregerabwehr des Organismus einhergehen. Folgerichtig könnten demgegenüber immunstimulierende Therapieansätze vermehrt Organschäden verursachen. In dieser Arbeit wurden neue und innovative Therapieverfahren mit immunmodulatorischen Wirkungen bei Sepsis, systemischer Inflammation (SIRS) und akutem Lungenversagen (ALI/ARDS) dargestellt. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, nicht eine monokausale Inflammationshypothese zu verfolgen, sondern vielmehr vor dem Hintergrund gleichzeitig ablaufender pro- und anti-inflammatorischer Reaktionen der Frage nachzugehen: „Wie viel Inflammation braucht der Organismus?“ Diese Frage hat grundlegende Bedeutung, wenn man sich vor Augen führt, dass eine effektive Elimination eingedrungener Mikroorganismen für die erfolgreiche Individualitätswahrung des Organismus eine eminente Stellung einnimmt. Neben Immunmodulatoren wie Immunglobulin G, Hydrocortison, Omega-3-Fettsäuren oder Komplementfaktoren werden neu entdeckte Akutphase-Proteine wie Clusterin oder Pankreatitis-assoziiertes Protein als potenzielle Therapeutika bei systemischer Inflammation und Endotoxinämie untersucht. Ferner werden therapeutische Anti-Mediator-Strategien mit N-Acetylcystein, Pentoxifyllin, Endothelin-Rezeptorantagonisten und NO-Synthaseinhibioren auf ihren therapeutischen Nutzen hin evaluiert. Im Hinblick auf eine therapeutische Anwendung bei kritisch kranken Patienten wurden benefizielle Effekte und potenziell unerwünschte immunmodulierende Wirkungen aufgezeigt und kritisch diskutiert. Die erhobenen Befunde erklären teilweise die enttäuschenden Ergebnisse klinischer Studien mit verschiedenen Substanzen bei kritisch Kranken und tragen zu einem besseren Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge bei Sepsis und ARDS bei.