
Hintergrund: Die Prävalenz der Anämie wird von der Weltgesundheitsorganisation auf über zwei Milliarden Menschen weltweit geschätzt. Daher rief die Weltgesundheitsorganisation zusammen mit dem United Nations Childrens Fund bereits 2004 dazu auf, sich stärker auf Anämien zu fokussieren und diese zu bekämpfen.
Die retrospektive Analyse einer prospektiven Studie an 39.309 chirurgischen Patienten aus 28 europäischen Ländern belegte, dass präoperative Anämie mit 31,1% bei Männern sowie 26,5% bei Frauen auch in Europa hoch ist. Ein präoperatives Anämie-Screening ist ebenfalls Bestandteil von Patient Blood Management (PBM). Anästhesisten in Deutschland sind jedoch mit zwei Problemen konfrontiert: 1.) Patienten werden im Allgemeinen erst kurz vor der Operation vom Anästhesisten gesehen. Dieser Zeitraum von oft nur einem Tag vor dem Eingriff ist zu kurz, um eine präoperative Anämie zu diagnostizieren und zu therapieren. 2.) Ein dezidiertes Management der intravenösen Eisengaben ist notwendig, da die Behandlung einer präoperativen Anämie auch institutionell, personell und räumlich nicht einfach umsetzbar erscheint. Methoden: Seit dem 01.04.2014 haben wir eine PBM-Sprechstunde in unser präoperatives Management in der Anästhesiesprechstunde integriert. Hier werden Patienten vorgestellt, bei denen ein elektiver Eingriff mit einer Transfusionswahrscheinlichkeit von über 10% indiziert ist. Die Patienten werden bereits am Tag der Indikationsstellung zur Operation durch die Chirurgen der Anästhesie/PBM-Sprechstunde zugewiesen. Die Möglichkeit der präoperativen Anämie- Abklärung besteht für den Zeitraum von mindestens vier Tagen präoperativ bis zu optimaler Weise 14-28 Tagen vor dem Eingriff. Die Blutabnahme erfolgt durch die Chirurgen. Die betreuenden Anästhesisten diagnostizieren dann ggf. eine Anämie. Sollte eine Eisenmangelanämie festgestellt werden, wird noch am gleichen Tag nach Ausschluss von Kontraindikationen und Aufklärung sowie Einverständnis des Patienten eine einmalige intravenöse Eisengabe durchgeführt. Bei Vorliegen einer schwerwiegenden unklaren Anämie (definiert als Hämoglobinwert von unter 9 g/dl) sowie einer weiteren Zellzahlveränderung des kleinen Blutbildes erfolgt die Vorstellung des Patienten in der Medizinischen Klinik A (Hämatologie) zur erweiterten Abklärung. Ergebnisse: In den ersten fünf Monaten gelang es uns, eine PBM-Sprechstunde zur präoperativen Anämie-Abklärung in die Räumlichkeiten unserer Anästhesiesprechstunde zu integrieren. In diesem Zeitraum wurden 133 Patienten aus 10 chirurgischen Fachabteilungen mitbetreut. Hierbei wurden drei Patienten konsiliarisch von den Hämatologen zur weiteren Anämie-Abklärung gesehen. Fazit: Mit dem von uns hier vorgestellten Konzept möchten wir einen Weg aufzeigen, eine Anämie-Ambulanz in eine bestehende Prämedikations-Ambulanz zu integrieren. Die Implementierung einer Anästhesie/PBM-Sprechstunde ist umsetzbar und effizient. Wir möchten daher andere Kliniken ermutigen, eine ähnliche Sprechstunde einzurichten.